Auch die Altersvorsorge wird digital

28.06.2018 | bAV, Digitalisierung

Tobias Bailer, geschäftsführender Gesellschafter der Pension Solutions Group spricht in der Wirtschaftszeitung über die Vorzüge der Digitalisierung im Bereich der Betriebsrenten und den Einfluss der EU·Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO).

Herr Bailer, auf welchem Stand befinden sich aktuell die Personalabteilungen in den Digitalisierungsprozessen?

Tobias Bailer: Wir erleben, dass die Digitalisierung in den Human Resource-Abteilungen mit ausgelagerter Lohnabrechnung oder digitalen Prozessen zur Mitarbeiterführung in vollem Gange ist. Selbst die sogenannten Predictive Analytics, also Big-Data-Auswertungen zur Prognose beim Mitarbeiter-Recruiting oder zur Teamfähigkeit, werden zunehmend Realität. Es gibt hier allerdings noch große Unterschiede. Auf der einen Seite stehen die Konzerne und großen Mittelständler, für die digitale Tools bewährte Standards sind. Auf der anderen Seite stehen die kleinen und mittleren Unternehmen, die den Wandel aus der analogen in die digitale Welt bisher eher punktuell vollziehen. Aufhalten kann man den Wandel nicht mehr.

Gilt das auch für das Feld der Betriebsrente?

Ja, definitiv! Die betriebliche Altersvorsorge wird meistens über den bekannten Makler vor Ort, einen Versicherungsagenten oder die örtliche Bank angeboten und zum Teil auch verwaltet. Wir erleben, dass folglich mangels Methoden- und Systemkompetenz die Unterstützungsleistungen für die Personalabteilungen durch den gewählten Dienstleister komplett auf der Strecke bleiben. Der Marktstandard bei digitalen Administrationsprozessen ist aber bereits das digitale und individualisierte Arbeitgeberverwaltungsportal. In so einem ganzheitlichen Benefit-Portal lassen sich die betrieblichen Altersvorsorge, die betriebliche Absicherung einer Berufsunfähigkeit und das Gesundheitsmanagement optimal verwalten. Das dient letztlich dem Employer Branding, der Arbeitgebermarke, mit der Mitarbeiter ans Unternehmen gebunden oder neu gewonnen werden.

Welche Herausforderungen gilt es konkret zu meistern?

Die Komplexität bei der Administration lässt sich durch Digitalisierung wesentlich reduzieren, wenn beispielsweise ein Mitarbeiter Nachfragen hat. Da fast alle Unternehmen mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten, schickt im Worst Case die Personalabteilung einen Brief an einen Berater oder Makler, der daraufhin bei der Versicherung nachfragt. Über die Arbeitgeberplattform lassen sich alle Vertragsdaten bis hin zu Kosten von Obst für Beschäftigte einfach ablesen. Eine ergänzende Mitarbeiterinformationsseite macht für den Arbeitnehmer alle seine Leistungen einsehbar. Darüber hinaus kann über ein digitales Termintool eine individuelle Beratung telefonisch, per Video oder persönlich veranlasst werden. Wichtig ist die Multikanalität in der Ansprache zwischen digitalen Prozessen und persönlicher Beratung.

Hilft die Digitalisierung auch bei der Vielfalt der Betriebsrentenvereinbarungen, die bei einem Arbeitgeberwechsel entstehen?

Natürlich. Aber man muss nach dem Sinn und Zweck der betrieblichen Vorsorge fragen. Ich kenne etliche Betriebe mit einer Quote bei der Altersvorsorge von rund 20 Prozent. Die eine Hälfte ist bei dem vom Arbeitgeber empfohlenen Anbieter, die andere Hälfte hat jeweils einen anderen Anbieter. Das ist kein Spaß für die Verwaltung auf Papier. Die Personalabteilungen müssen ihr individuelles Modell entwickeln, um durch eine höhere Arbeitgeberattraktivität belohnt zu werden. Die Vielfalt bei der betrieblichen Vorsorge muss nachträglich eingedämmt werden, sofern das der Arbeitsvertrag nicht regelt. Denn die Beschäftigten – und auch manche Arbeitgeber – kennen diese oft nicht.

„Die Komplexität bei der Administration lässt sich durch Digitalisierung wesentlich reduzieren.“

Was muss bei der Verarbeitung dieser sensiblen personenbezogenen Daten beachtet werden?

Die Datenverarbeitung bzw. besser noch der Mitarbeiter-Datenschutz ist streng an den Zweck gebunden. Das wurde durch die Datenschutzgrundverordnung noch einmal deutlich verschärft. Gerade Themen wie Prozessdokumentationen oder auch Transparenz gegenüber dem Versorgungsberechtigten waren in der Praxis große Herausforderungen. Bei der Frage nach Löschkonzepten sind allerdings die besonderen Aufbewahrungsfristen zu beachten. Es empfiehlt sich für Arbeitgeber unter Beachtung der DS-GVO klar zu definieren, welche Daten nicht gelöscht werden dürfen.

Können Sie Beispiele nennen?

Da kann es um die Erben versorgungsberechtigter Mitarbeiter gehen, die eine lebenslange Aufbewahrungspflicht plus zusätzliche 30 Jahre notwendig machen. Auch das Cloud-Computing oder eine Datenverarbeitung von Anbietern außerhalb der EU ist genau zu prüfen. Aus dem verschärften Datenschutz können auch für den Arbeitgeber enorme Haftungsfälle entstehen. Umso wichtiger ist es, Anbieter für betriebliche Vorsorgemodelle auch auf diese Aspekte exakt zu prüfen.

Veröffentlicht: Die Wirtschaftszeitung

Bild: pension solutions group

 

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